Automatisierung der Bürowelt: Geht uns die Arbeit aus?

Von Franz Gurtner, 25.11.2017

Roboter und Tablet freigestellt

Die digitale Transformation verändert alles, auch das Arbeiten von morgen. Einer der interessantesten Vordenker zu diesem Thema ist Prof. Helmut Karner, Unternehmensberater und Mitbegründer des Föhrenbergkreises. Mit ihm hat Wiesner-Hager bereits 2001 die Trends des Arbeitens der Zukunft diskutiert. Wir haben uns mit ihm 15 Jahre später wieder getroffen, um die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre zu reflektieren, den damaligen Prognosen auf den Zahn zu fühlen und um einen neuen Blick in die Kristallkugel zu wagen.  

 

Die digitale Transformation in der Arbeitswelt nimmt an Fahrt auf. Wie sehen Sie die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre?  

Karner: Schon 2001 war klar, dass die Produktionsfaktoren Kapital, Arbeit, Land oder Rohstoffe durch Wissen ersetzt werden. Wissen nicht im Sinne von Information: Informationen alleine sind kein Wettbewerbsvorteil. Erst die gezielte Transformation von Information in Wissen macht ein Unternehmen erfolgreich. Wissensarbeit macht heute 60 bis 70 Prozent der Jobs in Österreich aus. Neu ist, dass Automatisierung nun auch diese Bereiche der Arbeitswelt für sich einnimmt. Diese Entwicklung hat sich in den vergangenen fünf Jahren nochmals besonders beschleunigt.   

 

Denkt man an Automatisierung, kommen sofort Bilder von Industriemaschinen, Massenfertigung etc. Wie kann man Automatisierung in Bezug auf die Wissensarbeit verstehen?  

Karner: Thomas Davenport (Anm.: amerikanischer Autor und Analytics Spezialist) spricht in diesem Zusammenhang davon, dass wir das Zeitalter von Analytics 3.0 erreicht haben. Analytics 1.0 beschreibt die klassischen Datenbanksysteme aus den 1970er- Jahren. Die Daten stammten aus unternehmensinternen Quellen und beschränkten sich auf beschreibende Analysen. Das Aufkommen von Big Data in den 2000er-Jahren war auch der Start von Analytics 2.0, das von riesigen Datenmengen bestimmt wurde.  

Viele Mitarbeiter waren damit beschäftigt, die Daten zu analysieren, zu verwerten und Schlüsse zu ziehen, um aus den Informationen Wissen zu generieren. Bei Analytics 3.0 wird diese Aufgabe „on the fly“ von Systemen übernommen. Das ermöglicht blitzschnelle Einblicke in Unternehmensprozesse und darauf basierende automatisierte Entscheidungen.  

  

Gibt es Beispiele, wo Analytics 3.0 heute schon angewendet wird?  

Karner: Die gibt es natürlich. Der „Intelligent Alert“ von Amazon ist das perfekte Beispiel: Jede Suchanfrage wird auf 40 Kriterien untersucht. Davon werden Ihre Interessensgebiete bzw. wird Ihr künftiger Bedarf abgeleitet. Das macht sich beim nächsten Besuch auf Amazon bemerkbar – das System schlägt Ihnen selbstständig Produkte zum Kauf vor, von denen es annimmt, dass diese für Sie interessant sind. Ein weiteres Beispiel sind die Kunden- und Treuekarten der großen Handelsketten, die nach einem ähnlichen Prinzip organisiert sind.   

 

Geht uns „Büromenschen“ dann künftig die Arbeit aus?  

Karner: In den Metropolen Chinas oder in Singapur, wo der Anteil der Wissensarbeit bei über 80 Prozent liegt, ist es jetzt schon so, dass die Jobs, die in der Vergangenheit von Sachbearbeitern erledigt wurden, nun vermehrt von Softwaretools übernommen werden. Das bedeutet natürlich nicht, dass uns die Arbeit ausgehen wird, aber es ist durchaus abzusehen, dass sich die Arbeitsschwerpunkte künftig verschieben werden.   

 

Wohin verlagern sich die Arbeitsschwerpunkte dann?  

Karner: In einigen Gebieten ist der Mensch der Maschine noch immer weit überlegen, dazu gehört allem voran die Kreativität: Der Mensch wird immer einen Platz in konzeptiven Bereichen finden, wenn es um neue Ideen oder Innovationen geht. Teamarbeit wird wichtiger denn je. Mehr Köpfe mit unterschiedlichen Kompetenzen und Problemlösungstaktiken bringen neue Perspektiven ins Spiel. Emotionale bzw. typisch menschliche Kompetenzen wie Empathie und Motivationsfähigkeit spielen künftig eine ganz zentrale Rolle. Aber auch Geschicklichkeit ist und bleibt ein Schlüsselfaktor.   

 

Und welche Auswirkungen hat das auf die Büros der Zukunft?  

Karner: Die Büros der Zukunft spiegeln diese neuen Arbeitsschwerpunkte wider. Flexibilisierung wird zum Gebot der Stunde. Die Möglichkeit, Teams schnellstmöglich zusammenzustellen – auch räumlich – entscheidet über den Erfolg von Unternehmungen. Google – als Speerspitze innovativer Büros – setzt im neuen US-Headquarter zum Beispiel auf sogenannte „zufällige Begegnungszonen“. Das sind Lounges oder Working Cafés, die mit dem Ziel konzipiert wurden, dass Wissensarbeiter aus verschiedenen Sparten aufeinander treffen und sich austauschen, was den Wissensstand beider Seiten steigert. Man kann sich das Büro der Zukunft wie einen „Corporate Campus“ vorstellen, der Leben, Arbeit, Privatsphäre und Öffentlichkeit in sich vereint.   

Experteninterview:

Prof. Helmut F. Karner,
Management Consulter

Prof Helmut F. Karner was active internationally for 35 years in executive management (including as General Director of Olivetti, Dean and Managing Director of the global Olivetti Company University, European General Manager of Northern Telecom). Today he works as an international management consultant for companies and institutions. In addition, he does numerous teaching assignments at business schools domestic and abroad and acts as a guiding spirit of the Austrian think tank, Föhrenbergkreis (http://fbkfinanzwirtschaft.wordpress.com/).

(c) Foto: Eva Katarina Friedrich

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