Das Fundament für die neue Arbeitswelt: Neues Lernen.

Von Christa Schwandtner, 30.05.2018

In vielen Schulen und Universitäten orientiert man sich noch an einem alten Bild von arbeitenden Menschen: man wird vermessen, ein Profil wird entworfen, die Kompetenzen werden festgelegt, die Schwächen definiert und ein Schulprogramm aufgestellt, das für alle gleich gilt. Doch die Arbeit hat sich gewandelt. Es werden neue Anforderungen gestellt, selbstständiges Arbeiten vorausgesetzt und Teambuilding verlangt. Das Neue Arbeiten steht nicht nur vor der Tür, sondern schon mitten im Büro. Schön langsam passt sich das Bildungssystem an die neue Arbeitswelt an und mit ihr auch die Architektur der Bildungseinrichtungen. Wir haben Gerhard Wittfeld, Geschäftsführer des renommierten Architekturbüros kadawittfeldarchitektur, über seine Erfahrungen befragt.

 

Wenn man sich Ihre Referenzen genauer ansieht, fällt auf, dass Sie unter anderem auch viele Bildungseinrichtungen geplant und umgesetzt haben.

Wittfeld: Wir beschäftigen uns mit Architektur, Interior Design, städtebaulichen Planungen und urbanen Projekten. Bildungsbauten sind dabei kein bewusst gesetzter Schwerpunkt in unserem Planungsspektrum. Vielmehr finden sich in unserem Portfolio neben Bildungseinrichtungen verschiedene Typologien wie Büro- und Verwaltungsgebäude, Wohnbauten, Projekte für Gewerbe- und Messebauten, Gebäude aus dem Bereich Gesundheit und Forschung, Sportbauten sowie Kultur- und Industriebauwerke. Die Planung von Gebäuden für die jungen Menschen unserer Gesellschaft, die einen großen Teil ihres Heranwachsens in Kindergarten und Schule verbringen, sehen wir jedoch als eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe an.

 

Was ist Ihnen bei diesen Bildungsbauten besonders in Erinnerung geblieben?

Wittfeld: In Bildungsbauten wird gelehrt und gelernt, wird Wissen fortentwickelt, werden bestenfalls Grundfragen unseres Zusammenlebens beantwortet. Von einer homogenen Typologie kann nicht die Rede sein. Hörsaalgebäude, Forschungslabore, Bibliotheken und die dazugehörigen Servicebauten unterscheiden sich grundlegend voneinander. Was alle Formen dieses vielfältigen Bautyps eint, ist die Balance zwischen Öffentlichkeit und Konzentration – beides müssen Bildungsbauten verbinden, genauso wie dem gesellschaftlichen Stellenwert und einer konkreten Funktion gerecht zu werden.

 

Worauf haben Sie bei der Neustrukturierung von Bildungseinrichtungen besonders geachtet?

Wittfeld: Die Architektur von Bildungsbauten muss einladend sein und beschützend, pragmatisch strukturiert und zugleich zukunftsoffen. Schulen sind nicht nur Orte des Lernens, sondern ‚Lebensorte‘, die mit ihren Räumen unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen müssen. Es geht darum, einen Ort zu schaffen, an dem Wissen vermittelt wird, der aber auch zur individuellen Entfaltung und Weiterentwicklung der Schüler beiträgt. Im Vergleich zu früheren Konzepten werden heute Räume benötigt, die neue Lehr- und Lernformate unterstützen und alternative Unterrichtskonzepte ermöglichen. Zudem kann die Architektur von Bildungsbauten selbst einen „Lehrauftrag“ erfüllen und sehr wesentlich zu der frühzeitigen Entwicklung eines Raumbewusstseins und Raumverständnisses bei Kindern und Jugendlichen beitragen.

„Schulen sind nicht nur Orte des Lernens, sondern ‚Lebensorte‘, die mit ihren Räumen unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen müssen.“

 

Welche Bildungseinrichtungs-Projekte bearbeiten Sie aktuell und haben Sie in letzter Zeit abgeschlossen? Welche Erwartungen wurden an Sie gestellt?

Wittfeld: Für die Deutsche Sporthochschule Köln befinden wir uns zurzeit mit dem Neubau eines naturwissenschaftlich und medizinisch ausgestatteten Laborgebäudes auf dem Campus am Sportpark Müngersdorf kurz vor Fertigstellung. Da die Sporthochschule Köln deutschland- und teilweise sogar europaweit einen sehr guten Ruf genießt, handelt es sich hierbei um ein Projekt mit hoher Strahlkraft. Wichtig war uns hier, zusätzlich zum geforderten Raumprogramm einen zentralen Ort der Kommunikation auf dem Campus zu etablieren. Das Fakultätsgebäude HC der Bergischen Universität Wuppertal ist ein weiteres Projekt, welches im vergangenen Jahr fertiggestellt und bezogen wurde. Hierbei handelt es sich um einen Erweiterungsneubau der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen auf dem Campus Haspel in Wuppertal. Das Gebäude erhielt einen offenen Erdgeschoßbereich, der den Campus unter dem Baukörper hindurch laufen lässt und eine prägnante Eingangsgeste zum Universitätsgelände darstellt. Ausstellungsfläche, Mensa und Hörsaal bilden im Erdgeschoß das öffentliche „Campus“-Niveau, während die darüberliegenden Seminar- und Arbeitsräume bei Bedarf auch für fakultätsübergreifende Projekte genutzt werden können. Für uns war eine Besonderheit an diesem Projekt, dass wir für Architekturstudenten – also für den Nachwuchs der eigenen Zunft – planen konnten.

 

Werden die Studierenden und Lehrenden in den Prozess der Planung miteinbezogen?

Wittfeld: Idealerweise ja. Eine Bedarfsanalyse der Ausgangslage und die Durchführung von Beteiligungsverfahren trägt maßgeblich dazu bei, die Wunschvorstellungen und Bedürfnisse der Nutzenden, von Trägern und anderen Beteiligten sowie funktionale und pädagogische Anforderungen an den Bildungsstandort zu ermitteln.

 

Was bedeutet für Sie „Neues Lernen“? Wie kann Architektur Neues Lernen unterstützen und sogar nach vorne bringen?

Wittfeld: Architektur bietet viele Möglichkeiten und schafft räumliche Grundlagen, um die neuen Wege des Bildungssystems zu unterstützen. Selbstständiges Arbeiten der Schüler, individuelle Förderung, klassen- und altersübergreifender Unterricht sowie alternative Unterrichtsmodelle beschreiben den Paradigmenwechsel an modernen Schulen, welcher ein spezifisches räumliches Angebot erfordert. Durch die Einführung des ganztägigen Unterrichts finden Aspekte wie Freizeit, Bewegung, Entspannung und Ruhe als wichtige Bestandteile des Schulalltags in der Planung von Bildungsbauten Berücksichtigung. Anders als bei den herkömmlichen Klassenzimmern sind heute also Räume gefragt, welche diese Formate des „Neuen Lernens“ ermöglichen und fördern.

 

Das Projekt IMC FH Krems haben Sie 2012 abgeschlossen. Was zeichnet den Ergänzungsbau der Fachhochschule besonders aus?

Wittfeld: Das Projekt liegt auf dem in unseren Augen sehr qualitätsvollen Campus der IMC FH Krems, der auf einem Masterplan von Dietmar Feichtinger basiert. Entsprechend haben wir uns gefreut, einen weiteren Baustein beisteuern zu dürfen. Das Besondere für uns Planer war die Kombination von engen baurechtlichen Vorgaben und einem recht kleinen Baufeld mit einem sehr komplexen Raumprogramm. Die Herausforderung lag darin, das Raumprogramm so zu organisieren, dass trotz der hohen räumlichen Dichte qualitätsvolle Aufenthaltsräume entstehen. Wir haben die Mittelzone als vertikales Foyer ausgebildet, das durch die Holzlamellen- Wandverkleidung über alle Geschoße erkennbar ist und durch Lufträume und große Fenster vielfältige Sichtbezüge erlaubt.

 

© Photo: Werner Huthmacher, Berlin

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