Büroarchitektur im neuen Jahrzehnt: Führende Architekturschaffende über die Zukunft des Büros.

Von Wojciech Czaja, 11.01.2021

Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Die Bandbreite an Konzepten österreichischer Architektinnen und Architekten ist enorm und reicht von gemütlichen Arbeitsecken über virtuelle Besprechungsräume bis hin zu Bluetooth-vernetzten Gehirnen. An das reine Home- Office jedoch glaubt niemand. Im Mittelpunkt nämlich stehen Kommunikation und Sozialisation. Wojciech Czaja hat sich umgehört.

 

Dass die Home-Office- Kultur nicht nur den Großfirmen Profit bringen wird und die sozialen und kreativen Verbindungen eines Teams zerstört, ist wohl klar. Und die sogenannten Hybrid-Office- Kulturen, also die Kombination aus Home-Office und realem Treffpunkt- Office, funktioniert genauso gut oder genauso schlecht wie ein Hybridauto, das zwar auch mit Strom fährt, aber genauso viel Benzin verbraucht wie ein normaler Benziner. Bei Coop Himmelb(l)au arbeiten wir auf mehreren Ebenen. Das große Büro wird bestehen bleiben, auch Besprechungsräume wird es weiterhin geben, wenngleich die meisten Besprechungen mit unseren internationalen Klienten in Form von Videokonferenzen stattfinden. Die kreativen Lösungen, die wir in der Projektentwicklung brauchen, werden wie immer im persönlichen Kontakt gefunden werden. Ein dreidimensionales, physisches Modell, das begreifbar ist, ist durch nichts in der Architektur zu ersetzen. Allerdings arbeiten wir derzeit an virtuellen Besprechungsräumen, wo wir im Falle eines absoluten Lockdowns 3D-Modelle im Team bearbeiten können. Problemlösungen in Online-Konferenzen kommen nur für Excel-Listen-Büros in Frage.

Wolf D. Prix ,Coop Himmelb(l)au, Wien, ©Zwefo

 

Wie wir morgen arbeiten wollen, wird die Zukunft weisen. Eines ist jedoch sicher – dass in einer immer schnelleren, komplexeren Arbeitswelt trotz globaler Vernetzung und grenzenloser digitaler Möglichkeiten der persönliche Austausch und das Miteinander-Arbeiten immer wichtiger werden. Um das zu ermöglichen, braucht es offene, flexible, inspirierende Räume. Es braucht Räume, die an- und aufregen, Räume, die unterschiedliche Arbeitssituationen ermöglichen, Räume, in denen sich die Menschen wohlfühlen. Nicht das Home-Office ist die Zukunft, denn Neues entsteht durch Kommunikation, Gemeinschaft und direkten Wissensaustausch, durch Rede und Widerrede, durch Voneinander-Lernen. Keine digitale Errungenschaft kann dies ersetzen.

Dieter Henke und Marta Schreieck , Henke Schreieck Architekten, Wien, ©Georg Molterer

 

Man wird nur mehr selten ganz klassisch am Schreibtisch in einem Büro sitzen. Wir werden verstärkt überall und immer arbeiten. Zugleich aber werden wir auch immer und überall Privates erledigen und erleben. In Zukunft werden wir nicht nur über Distanz am gleichen Dokument mittels Internet-Verbindung zusammenarbeiten, auch unsere Gehirne werden sich über Bluetooth-artige Verbindungen miteinander vernetzen. Es wird niemanden mehr geben, der nur einen einzigen Beruf ausübt. Und falls doch, so wird er keinesfalls nur für einen einzigen Arbeitgeber tätig sein. Seinen Urenkeln wird man von Anstellungsverhältnissen mit Arbeitszeitaufzeichnungen erzählen. Es wird kaum noch Firmenzentralen und Headquarters geben. Sondern nur noch Treffpunkte. Weil das physische Zusammenkommen immer wertvoller, immer schöner wird.

Jakob Dunkl, querkraft architekten, Wien, ©querkraft/Alvarez

 

In naher Zukunft werden wir unter der Vorgabe eines CO2-neutralen Lebens unsere Arbeit ganz anders organisieren. Wir werden in verschiedenen Räumen physisch zusammenarbeiten – ohne absurd langes Pendeln in zentralisierte Büros. Wir werden viele Abstimmungen über digitale Kommunikation herbeiführen und die gewonnene Zeit für kreative Erfindungen nutzen, um unsere Welt besser zu machen. Dazu müssen wir monofunktionale Gebäude und Quartiere endgültig aufgeben, stattdessen brauchen wir attraktive halböffentliche und öffentliche Räume und eine verkehrsmittelgerechte Transportlogik – 200 Meter zu Fuß, 2.000 Meter mit dem Fahrrad sowie öffentlichen Nahverkehr und individuelle Elektromobilität.

Christoph M. Achammer, ATP Architekten & Ingenieure, Innsbruck Professor am Lehrstuhl für Integrale Bauplanung und Industriebau, TU Wien, ©ATP/Becker

 

Ich bin mir sicher, dass die Arbeitsplätze, wie wir sie kennen, nicht verloren gehen. Aber sie müssen neu definiert werden: Menschen wünschen sich Arbeitswelten. Und diese Arbeitswelten, diese Orte sollen den Menschen Qualitäten anbieten, die bislang nicht mit dem Arbeitsplatz assoziiert wurden. Das sind in erster Linie vielfältige, räumliche Möglichkeiten, die auf die unterschiedlichsten Bedürfnisse reagieren, mit behaglichen, optimal belichteten, gut durchgelüfteten Aufenthaltsbereichen in differenzierten Zonen. Besonders jetzt in der Coronakrise sehen wir, dass die Kommunikation und somit die Zusammenarbeit auf digitalen Plattformen sehr gut funktionieren kann. Das hat bei vielen ein Umdenken bewirkt: Wir fragen uns, wie viel Mobilität im Berufsalltag tatsächlich notwendig ist, und wie sich der ökologische Fußabdruck durch ein geändertes Mobilitätsverhalten verringern lässt. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die digitale Kommunikation das physische Miteinander nicht ersetzen wird. Bei einer totalen Digitalisierung gehen die essenziellen Zwischentöne verloren. Die innovativen Kommunikationstechnologien haben die räumlichen Grenzen des Arbeitsplatzes erheblich aufgeweicht. Damit das Home-Office aber für alle funktioniert, müssen wir Architektinnen wie auch Designer einen Schritt weiter gehen. Die alten Typologien haben ausgedient, es müssen neue definiert werden. Hier sehe ich eine große und spannende Aufgabe auf uns zukommen, auf die ich mich freue!

Elke Delugan-Meissl, DMAA Delugan Meissl Associated Architects, Wien, ©Paul Kranzler

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