Scrum: Teamsport Büro?!

Von Astrid Hütter, 21.11.2017

Mit Scrum Management Produkte schneller und flexibler entwickeln. Inspiriert von Spielzügen aus der Sportart Rugby und mit Wurzeln in der IT-Branche, bringt dieser agile Arbeitsansatz frischen Wind in Unternehmen.  


Morgens halb zehn in Deutschland in der Entwicklungsabteilung eines Softwareunternehmens: Alle Schreibtische sind verlassen, einige Kollegen stehen dicht gedrängt vor einem Bildschirm und unterhalten sich angeregt. Eine andere Gruppe steht einige Meter weiter und ist ebenso in ein Gespräch vertieft. Eine halbe Stunde später hat sich das Bild gewandelt: Die Schreibtische sind besetzt und alle in ihre Arbeit vertieft. Diese Situation beschreibt den typischen Arbeitsvormittag eines Scrum Teams.  

 

Warum eigentlich „Scrum“?  

Der Begriff Scrum kommt aus dem Englischen und bedeutet Gedränge. Geliehen aus der britischen Sportart Rugby, wo Scrum einen dichten Haufen von Spielern beschreibt, die sich um das Rugby-Ei rangeln, symbolisiert der Begriff im Projektmanagement „Gedränge“ im Sinne von enger Zusammenarbeit der Teammitglieder, die in ständiger Interaktion stehen. Nicht allein der Name stammt aus dem Rugby, Scrum bedient sich auch bewährter Taktiken dieser Sportart, die eine gute Teamarbeit voraussetzen und sorgsam einstudiert werden müssen. Vorbild und Pioniere auf diesem Feld sind IT-Unternehmen. Entwicklungsprozesse sind zu komplex, um sie streng nach Plan in aufeinanderfolgenden Phasen abzuarbeiten. Srcum bietet die nötige Flexibilität, um auf Unvorhersehbarkeiten agil und schnell zu reagieren.   

 

Mit Sprints schneller ans Ziel?  

Scrum ist eine agile Arbeitsmethode, die auf Selbstorganisation der Mitarbeiter setzt und sich auf wenige und einfache Regeln stützt. Spezifisch dafür sind eine klare Rollenverteilung und der Scrum Prozess:   

Zu Beginn wird eine „Wunschliste“ mit allen Anforderungen, Funktionen und Merkmalen des Produkts ausgearbeitet – der Product Backlog. Anfangs ist dieser vage formuliert, wird aber im Projektverlauf immer konkreter. Im nächsten Schritt kommt es zur Prioritätenvergabe: Welche Anforderungen und Elemente sind am wichtigsten? Für den darauf folgenden Sprint Backlog wird das Projekt in Teilaufgaben, sogenannte Sprints, gegliedert. Sprints sind die einzelnen Entwicklungsphasen, die in einem festen Zeitraum von zwei bis maximal vier Wochen erledigt werden. Jedes Teammitglied übernimmt eine To-do-Liste und damit eigenverantwortliche Aufgaben. Innerhalb einer Sprint-Phase treffen sich alle Mitglieder täglich zur gleichen Uhrzeit zum Daily Scrum. Bei diesem Kurzmeeting von 15 Minuten berichtet jedes Teammitglied, was sich seit dem letzten Scrum getan hat, was bis zum nächsten Daily Scrum zu erledigen ist und was ein Fortkommen der Arbeit behindert. Am Ende jedes Sprints werden die Ergebnisse live präsentiert und es wird Feedback eingeholt, das wieder in den Product Backlog einfließt. Wie im Rugby beginnt das Spiel dann von vorne.   

 

Das Spielfeld: Scrum Büro  

Bernhard Kern, Geschäftsführer der Roomware Consulting GmbH, beschreibt die Anforderungen an die Büroraumplanung für Scrum Teams: „Gewöhnlich arbeiten Scrum Teams in einem gemeinsamen Open-Space-Büro. Daneben entstehen multifunktionale Zonen wie Working Cafés und Lounges für die informelle Kommunikation und kleine Meetings zwischendurch, wie die täglich stattfindenden 15-minütigen Daily Scrums. Für Aufgaben, die hohe Konzentration erfordern, und ruhige Pausen bzw. als persönlicher Rückzugsort stehen Silent Rooms zur Verfügung.  

Die gesamte Arbeitsumgebung wird im Scrum quasi zu einem Projektbüro, das auch flexible Sitzordnungen ermöglicht, denn in jeder Sprint-Phase arbeiten verschiedene Team-Mitglieder enger zusammen. Neben den offenen Raumstrukturen sind auch große Flatscreens typisch für Scrum Büros. Das liegt zum einen daran, dass die IT Treiber der Entwicklung ist, und zum anderen, weil vermehrt Digital Natives der Generation Y in Scrum Teams arbeiten, die mit digitalen Technologien aufgewachsen sind. Außerdem werden die Screens genützt, um den aktuellen Stand des Projekts zu visualisieren. Ein weiteres Charakteristikum ist die radikale Reduktion von Stauräumen, weil vermehrt auf Lösungen zur elektronischen Archivierung von Daten zurückgegriffen wird.“   

 

Auf die Plätze! Fertig! Scrum?! Der Praxistest.  

Es stellt sich die Frage, ob Rugby auch im Alltag des Projektmanagements funktioniert:   


Ganzheitliche Betrachtungsweise.   

Die Einführung von Scrum ist kein Selbstläufer und bringt jede Menge Umstellungen in der Organisation und im Ablauf der Produktentwicklung mit sich. Wichtig ist, Scrum nicht als Individuallösung zu sehen, sondern für einen durchgängigen Einsatz im ganzen Unternehmen bzw. in ganzen Abteilungen zu sorgen.   

Auf die Unternehmenskultur kommt es an.  

Die Umstellung auf Scrum Management stellt Unternehmen in der Praxis vor eine große Herausforderung und funktioniert nur in Kombination mit der entsprechenden Unternehmenskultur, die sich durch flache Hierarchien, ein hohes Maß an Selbstorganisation sowie Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter und Vertrauen seitens der Führungspersonen auszeichnet.   

Wie im Teamsport: Die Chemie muss passen!  

Die Rollen der Teammitglieder müssen eindeutig definiert sein. Alle Beteiligten agieren auf Augenhöhe und sind im ständigen Austausch. Das setzt voraus, dass das Team menschlich und fachlich gut miteinander interagieren kann. Offene Kommunikation ist ein Muss.   

Meetings, Meetings, Meetings.  

Die vielen Meetings sind wahre Zeitfresser, jedoch ersetzt die direkte Abstimmung bei den Treffen in der Regel die aufwendige Erstellung von Projektplänen.   

Flexibel und dann auch wieder nicht…  

Oft ist Scrum Management in einem Unternehmen aber auch gar nicht möglich, weil das Projektteam räumlich getrennt arbeitet. In diesem Fall sind technische Lösungen wie Videokonferenzsysteme und Instant Messenger unumgänglich. Virtuelle Meetings dürfen jedoch nicht zur Dauerlösung werden, weil persönliche Interkation der Teammitglieder essentiell für den Erfolg des Projekts ist.   

… aber wenn’s dann passt: Unschlagbar!  

Die Umstellung erfordert Veränderungsbereitschaft und Ausdauer aller Beteiligten, wird aber langfristig die Qualität der Ergebnisse, Produktivität und Zusammenarbeit entscheidend steigern. Durch das gemeinsame Kämpfen, das selbst definierte Sprintziel zu erreichen, breitet sich im Unternehmen zudem ein hohes Maß an Teamspirit aus und die Motivation der Mitarbeiter wird gestärkt. 

 

(c) Foto: gettyimages/Hero Images

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