Wir fliegen heute mal ohne Autopilot. Achtsamkeit im Management.    

Von Astrid Hütter, 17.10.2017

Sie kennen das. Aufstehen am Morgen, Autopilot an: Beim Zähneputzen sind Sie gedanklich bereits am Weg in die Arbeit, im Auto oder Bus denken Sie dann an die ersten Handgriffe im Büro, die wiederum werden begleitet von Anspannung und Nervosität, die aufgrund eines unangenehmen Meetings am Vormittag in Ihnen aufsteigen.   

 

Und jetzt überlegen Sie mal, wie war heute eigentlich Ihr Weg in die Arbeit? Konnten Sie womöglich einen schönen Sonnenaufgang bestaunen oder hat Sie der Busfahrer nett angelächelt? Keinen Schimmer?! Mit dieser Ahnungslosigkeit sind Sie vermutlich nicht allein. Wir hetzen tagtäglich von A nach B und sind dabei nie ganz bei der Sache. Das Ergebnis: Wir verlieren den Bezug zum Hier und Jetzt! 

Dadurch entstehen Stress und geistige Abwesenheit im Arbeitsalltag. Dieser Zustand verstärkt sich durch die sich rasch ändernde Umwelt. Das Akronym VUCA beschreibt diese Entwicklung am besten:  

 

Unbeständigkeit (Volatility): Die Änderungen in unserer Umwelt werden – vor allem bedingt durch die digitale Transformation – immer häufiger, schneller und extremer.   

Ungewissheit (Uncertainty): Wir können künftige Ereignisse immer schlechter vorhersagen.   

Komplexität (Complexity): Das Leben wird immer vernetzter, gegenseitige Abhängigkeiten beeinflussen alle Entscheidungsprozesse.   

Mehrdeutigkeit (Ambiguity): Informationen werden immer mehrdeutiger, es wird immer schwieriger, präzise Fakten zu ermitteln.   

 

 Doch wie können wir mit dieser komplexen und vagen Welt umgehen? Mögliche Antworten darauf liefert das Konzept der Achtsamkeit, das als buddhistischer Ansatz aus dem Osten immer weiter in unseren Kulturraum sickert. Achtsamkeit ist jedoch nicht nur in der Gesellschaft ein Top-Thema, auch auf Unternehmensebene wird die Methode immer häufiger aufgegriffen. Google setzt schon seit 2007 auf Achtsamkeit und hat ein Achtsamkeitsprogramm namens „Search inside yourself “ eingeführt. Auf die buddhistische Praxis setzen aber auch SAP und der Chemiekonzern BASF, um nur ein paar Namen zu nennen.   

 

Die Besinnung auf das Ich.  

Günther Wagner, Experte für Change Management und Digital Leadership, erklärt, dass Achtsamkeit im Kleinen beginnt: Indem man wahrnimmt, was gerade in diesem Moment passiert. Es geht nicht darum, unentwegt alles bewusst zu analysieren, sondern mehrfach verteilt über den Tag für kurze Momente innezuhalten und die aktuelle Situation durchzuchecken. Ein sehr guter Indikator ist dabei der Körper – er kann nur in der Gegenwart leben und reagiert auf gegenwärtige Einflüsse. Der Atem, die Sitzhaltung, angespannte Muskeln oder beispielsweise hochgezogene Schultern zeigen sofort, was gerade los ist. Und in dem Moment, in dem man das registriert, entsteht eine Lücke im Gedankenkarussell und man kann quasi für einen Augenblick aussteigen.  

 

Das Steuer selbst übernehmen.  

Als eine gute Einstiegsübung empfiehlt Wagner Folgendes: „Registrieren Sie fürs Erste vielleicht nur, ob Sie sich gerade in diesem Moment wohl oder nicht wohl fühlen. In weiterer Folge werden Sie merken, dass Sie entsprechend dieser Bewertung unterschiedlich handeln. Aus diesem bewussten Check heraus kann dann eine Entscheidung anders getroffen werden als ohne Reflexion.“ Das klingt eigentlich sehr einfach. Doch Achtsamkeit wird durch fünf Aspekte verzerrt, die jeden von uns zu jeder Zeit beeinflussen: Zweifel, Unruhe, Trägheit, Verlangen und Widerwille. Deshalb ist es mit der Achtsamkeit so wie mit sportlicher Betätigung, erklärt Wagner: „Es braucht regelmäßiges Training, um die Kondition halten zu können. Achtsamkeit ist also das Bewusstsein für den gegenwärtigen Moment. Und Bewusstsein für die Tatsache, dass Stress – genau wie Entspannung – im eigenen Kopf anfängt und nicht selten hausgemacht ist. Im Schneller-, Höher-, Weiter-Modus verlieren wir oft die Verbindung zur Gegenwart und zu uns selbst.  

 

Günther Wagner arbeitet selbstständig als Unternehmensberater, Management Coach und Trainer. Zu seinen Beratungs- und Arbeitsschwerpunkten zählen u. a.: Digital Leadership, Arbeitswelt 4.0, die damit zusammenhängenden Veränderungswiderstände und ein entsprechendes Konfliktmanagement und Risikobewusstsein. Seine berufliche Expertise beruht auf knapp 30-jähriger Führungs- und Managementerfahrung bei internationalen Versicherungsunternehmen, NGOs, beim Militär (Flugsicherheit) und ebenso auf seiner intensiven persönlichen Lebenserfahrung.  

Teilen:
Share Button

Download:
Download PDF

Sie haben
Fragen?

Newsletter anmelden