Smarter Ecommerce: Junge Bürokultur im Vintage-Look.

Von Christa Schwandtner, 09.12.2019

Wenn man im Innenhof der Tabakfabrik Linz ankommt, stellt sich eine ungewöhnliche Ruhe ein. Der Lärm der Stadt wird durch die Backsteinmauern ausgesperrt, und was bleibt ist das Treiben der Menschen, die hier arbeiten. Mit dem Lastenaufzug geht es in den vierten Stock. Von hier kann man die moderne Stadt durch große Fenster beobachten, während die Risse in den alten Fliesen von einer längst vergangenen Industrie-Zeit erzählen.

Wir haben das Dienstleistungsunternehmen Smarter Ecommerce – kurz smec – besucht, das seinen neuen Hauptsitz in der Tabakfabrik Linz gefunden hat. Auf 1700 Quadratmetern entwickeln 120 MitarbeiterInnen Softwarelösungen für das Suchmaschinenmarketing. Dabei steht es ihnen frei, im Working Café, an einem der vielen Desk-Sharing-Plätze oder im Silent Room zu arbeiten. Der Geschäftsführer Jan Radanitsch begrüßt uns statt mit dem sonst üblichen Kaffees, mit einem Stück Schokoladenkuchen. „Heute feiern wir unser 12-jähriges Jubiläum.“ Welch schöner Anlass für ein Interview über die Entwicklung der Bürokultur im 21. Jahrhundert.

2007 haben Sie Ihr Unternehmen zusammen mit Ihrem Kollegen Christian Gorbach gegründet und 10 Jahre später hat Ihr Unternehmen Smarter Ecommerce ein neues Büro in der Tabakfabrik Linz bezogen. Worin lag Ihr Hauptaugenmerk bei der Suche nach einem neuen Standort?

Da wir stark gewachsen sind, wurde das letzte Büro bereits ein Dreivierteljahr nach dem Einzug zu klein. Unsere Abteilungen wurden auf verschiedene Stockwerke oder auf andere Standorte in der Stadt verteilt. Unsere verschiedenen Abteilungen müssen in der Softwareentwicklung viel miteinander reden und zusammenarbeiten. Deshalb war mir wichtig, dass wir alle auf einer Gesamtfläche unterbringen können und genug Platz für Wachstum zur Verfügung steht. Ein weiteres Kriterium war die Nähe zum Stadtzentrum. Ich mag das Feeling, nach Feierabend nach draußen zu gehen, wo das Stadtleben auf mich wartet. In der Tabakfabrik Linz hat sich außerdem der Campus-Charakter in den letzten beiden Jahren stark weiterentwickelt.

Was war Ihnen bei der Planung und der Umsetzung des neuen Büros besonders wichtig? Woher nahmen Sie Ihre Inspiration und Motivation?

Es war uns wichtig, dass es einen gemeinsamen Mittelpunkt gibt, an dem sich die Mitarbeiter treffen. Daher haben wir eine große Mittelzone in Form einer offenen Gemeinschaftsküche geschaffen und in den Flügeln von Versorgungseinheiten abgesehen. Natürlich gibt es dort auch Möglichkeiten zur Kollaboration und kurzen Teamgesprächen, doch in unserem Working Café treffen sich die Mitarbeiter aus den verschiedensten Abteilungen immer wieder im Laufe des Tages zum schnellen Kaffee, zum Lunch und zum Gedankenaustausch. Der zweite wichtige Punkt war, den Charakter dieses historischen Gebäudes zu erhalten. Die Räume müssen in Balance bleiben und das gelingt nur, wenn ich mich auf die Geschichte einlasse und ihr einen Platz einräume. Die Gebrauchsspuren gehören zum Fabrikgebäude und jetzt auch zu uns.

In Bezug auf das Desk-Sharing-Konzept haben wir andere Büros besucht und uns mit Architekten beraten. Auch unsere eigenen Mitarbeiter wurden miteinbezogen. In Meetings kamen Sprecher der einzelnen Abteilungen zusammen und haben besprochen, was ihnen wichtig ist und wie wir das am besten umsetzen können.

© Sabine Kneidinger Photography

Was waren die größten Herausforderungen während des Umbaus und wie haben Sie diese gelöst?

Die geringe Raumhöhe erschwerte ein optimales Lüftungskonzept für die großen Räume. Um die alten Gemäuer erhalten zu können, arbeiteten wir mit dem Denkmalschutzamt zusammen. Der Mittelgang wurde von Architekt Peter Behrens damals in einer leicht gebogenen Form gebaut. Wir haben diesen frei von Technik gehalten, um diese „Banane“ zu bewahren.

 Kultur ist das Set an etablierten Handlungsweisen, das eine Gesellschaft schafft. – Jan Radanitsch, CEO smec

Wie interpretieren Sie den Begriff „Bürokultur“? Welche Rolle spielt dabei die Architektur?

Kultur ist das Set an etablierten Handlungsweisen, das eine Gemeinschaft schafft. Ich erinnere meine Mitarbeiter immer wieder: Jeder, der hier reinkommt, gestaltet die Bürokultur mit. Ob sich jemand in die Gemeinschaft einbringt oder nicht, kann ich als Geschäftsführer nicht steuern – aber ich kann Rahmenbedingungen schaffen. Raumklima, Akustik und die Raumgestaltung sind wesentliche Faktoren, dass Menschen sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen. Ich denke, Mitarbeiter leisten nicht mehr, nur weil sie mehr arbeiten. Sie müssen die Arbeit effektiv, zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort machen können. Unser Working-Café wird beispielsweise nicht nur zu Pausenzeiten genutzt, sondern auch als Treffpunkt für Besprechungen.

Churchill hat einmal gesagt: „Zuerst formen wir unsere Gebäude, dann formen sie uns.” Wie sehen Sie das in Bezug auf das Leben im Büro, speziell in Ihrem Unternehmen?

Wir haben uns davor natürlich viele Gedanken gemacht und bewusst einige Dinge offengelassen und beobachtet, wie es sich entwickelt. Interessant war die Entwicklung im Großraumbüro, das zuerst skeptisch betrachtet wurde. Der Geräuschpegel wurde automatisch niedriger – so hat das Open Space die Art des Arbeitens der Mitarbeiter geformt. Dass wir den 110 Meter langen und 4 Meter breiten Gang offengelassen haben, könnte man auch als Platzverschwendung sehen, weil er keine andere Funktion hat als die eines Flurs. Positiver Nebeneffekt: Er bringt die Leute zusammen.

Ihre Mitarbeiter haben eine freie Arbeitsplatzwahl. Welche räumlichen Maßnahmen haben Sie gesetzt, damit dieses Desk-Sharing-Konzept positiv angenommen wird?

Zu Beginn war es für einige Leute eine Stresssituation. Aber das hat sich mit der Zeit der Gewöhnung gelegt. Die Desk-Sharing-Plätze werden nicht viel untereinander gewechselt. Was die Mitarbeiter wirklich genießen, ist die Möglichkeit, verschiedene Zonen nutzen zu können – je nachdem, was für ihre Aufgaben gerade am geeignetsten ist. Temporär können für spezielle Projekte Tische für ein Team reserviert werden. Wir machen uns Strukturen, versuchen diese wieder aufzubrechen und zu verbessern – Agilität ist das Gebot der Stunde.

© Sabine Kneidinger Photography

Desk-Sharing-Konzepte sind in der Regel mit einer Clean Desk Policy verbunden. Wie wird das in Ihrem Unternehmen gehandhabt?

Es gibt ausreichend Locker. Da werden nach Feierabend die persönlichen Gegenstände, Laptops etc. weggesperrt. Wir kontrollieren aber unsere Mitarbeiter nicht, denn die Mitarbeiter machen sich gegenseitig aufmerksam auf die Einhaltung gewisser Regeln. Über den Instant-Messaging-Dienst wird auf Dinge wie vergessene Kaffeetassen hingewiesen: ähnlich wie in einer großen WG.

Ihr Unternehmen bietet einen Teil des Büros auch als Coworking Space an. Wie sieht dieses Konzept konkret aus? Inwiefern beeinflusst dieses „Öffnen“ Ihres Unternehmens die Kultur im Büro und die Arbeit der eigenen Mitarbeiter?

Aufgrund unseres Wachstums haben wir mehr Fläche gemietet, als wir anfangs gebraucht hätten. Wir haben einen Teil unseres Offices einem Start-Up-Unternehmen angeboten. Die Idee war, dass ein Austausch stattfindet, auch wenn es in einem etwas anderen Bereich der Künstlichen Intelligenz tätig ist. Natürlich hat uns dieses Öffnen des Unternehmens beeinflusst. Darum ist es wichtig, solche Projekte für alle Mitarbeiter gut vorzubereiten und Regeln abzustecken, damit das Zusammenleben für alle Beteiligten zum Vorteil wird.

Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wie sehen Sie die Weiterentwicklung des Zusammenspiels von Bürokultur und Architektur?

Für mich ist das ein Riesenthema. Wir haben das Privileg, in einer echt coolen Architektur zu sein, die natürlich auch gewisse Einschränkungen hat, aber genügend Spielraum für eine Umgestaltung bietet. Die Arbeitsumgebung kann massiv die Effizienz der Arbeit unterstützen oder mindern. Architektur muss verstehen, dass es nicht nur darum geht, schön und ordentlich auszusehen, sondern sie sollte Mobilität ermöglichen. Wir müssen lernen, mit einfachsten Mitteln und mit alten Gebäuden eine Umgebung zu schaffen, in der Menschen sich wohl fühlen. Wir müssen in Zukunft Ressourcen schonen und auf Qualität statt Quantität setzen.

© Photo: Jürgen Grünwald

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